Autorin | Self-Publisherin

Erweiterter Epilog:
Let it End

Was denkt Wodan über die vergangenen Ereignisse? Über Chia? Hier erfährst du es 🙂

Wenn du den Roman noch nicht kennst, kannst du ihn auf Amazon kaufen oder über Kindle Unlimited ausleihen. Mehr erfährst du auch auf meiner Website. Viel Spaß beim Lesen!

(Das Kapitel soll gleichzeitig der Anfang für den zweiten Teil sein. Es handelt sich um die erste Fassung, die sich später noch ändern kann.)

Wodan

Sie stand vor seinem Grab und hatte mir ihren Rücken zugewandt, sodass sie mich nicht bemerkte. Ihr war zu einem Zopf geflochten und ihr Körper in einem grauen Mantel verhüllt. Von Weitem sah sie aus wie jede andere Frau, wenngleich zierlicher und verletzlicher als unsere Clanfrauen. Für mich war sie nur eines und doch so viel mehr:

Chia.

Meine Frau. Meine Aghuin. Der Mensch, der mein gesamtes Denken beherrschte.

Und die ehemalige Geliebte meines Bruders.

Bei diesem letzten Gedanken wollte mein Tier herausbrechen. Wollte töten. Zerstören. Früher hätte ich meine Wut auf sie konzentriert. Jetzt wollte ich jemanden umbringen, der bereits tot war. Mein Hass richtete sich auf ihre Vergangenheit, weil sich dieselben verfluchten Bilder immer und immer wieder vor meine Augen schoben. Vorstellungen davon, wie mein Bruder sie geküsst, sie berührt, sie umarmt haben musste. Wie sie zusammen … Meine Hand ballte sich zu einer Faust und ich spürte, wie mein Wolf sich erneut in mir erhob. Ruhig. Ich atmete durch.

Das Blatt hatte sich gewendet.

Mein Bruder war nicht unschuldig an seinem Schicksal gewesen. Er hatte seine Welt manipulieren wollen, damit sie sich ihm unterwarf. Am Ende war er dasselbe gewesen wie alle anderen im Clanland: ein Monster, das tat, was es wollte, das sich nahm, was sich gut anfühlte, ohne Rücksicht auf Verluste.

Und Chia war sein größtes Opfer gewesen. Genauso wie sie Opfer ihrer Eltern gewesen war.

Der Zorn brannte erneut lichterloh in mir. Als ich das Gespräch zwischen Chia und ihrer Mutter beim Abendessen heimlich belauscht hatte, war mein Wolf durchgedreht. Ich hatte ihn nur mit Gewalt unterdrücken können, sonst hätte er den verfickten Bastard von Stiefvater auf der Stelle getötet. Stattdessen hatte ich die Zähne zusammengebissen, das Essen hinter mich gebracht und Chia von dort weggeschafft. Dieser Moment hatte die Waage aus Rache und Vergebung in mir gekippt. Plötzlich hatte der Drang überwogen, sie sanft zu behandeln. Nachsichtig mit ihr zu sein. Sie zu verstehen. Ich hatte erkannt, dass das Fundament für Chias Wesen wackelig und weitaus zerbrechlicher war, als sie der Welt vorgab.

Das Miststück, das sich Mutter nannte, der Stiefvater, der ihre Seele beschmutzt hatte – all ihre Taten und ihre Worte hatten sich in Chias Kopf gewunden wie ein schleimiger Parasit, der sich an jedem dunklen Gedanken nährte und sie in ihren schwächsten Momenten lenkte; bis es sie beinahe in den Tod getrieben hätte.

Doch auch ich war nicht unschuldig daran. Ich hatte ihr den letzten Stoß gegeben, wodurch sie in tausend Stücke zerbrochen war. Stücke, die wieder zusammengesetzt werden mussten. Wäre ich noch derselbe Mann, der sich damals in ihr Leben geschlichen hatte, hätte ich mich an ihrem Leid ergötzt. Hätte ihr ins Gesicht gelacht und genossen, wie sie vor mir auf dem Boden kroch.

Nun aber spürte ich zum ersten Mal in meinem Leben Reue.

Dabei hatte ich alles haargenau geplant. Ich hatte Torturen vorbereitet und meinem Clan eingeschärft, wie er mit ihr umgehen und was er mit ihr machen durfte. Sie war als Spielball gedacht gewesen, mit dem wir alle unseren Spaß gehabt hätten. Der Preis, den ich dafür bezahlt hatte? Chia selbst. Das hatte ein Handel mit ein paar widerlichen Hexenweibern verlangt. Ich grinste hämisch. In keiner Sekunde hatte ich in Betracht gezogen, meinen Teil des Geschäfts zu erfüllen. Zunächst aus dem einfachen Grund, dass sie Hexen waren. Hexen waren krank. Widerwärtig. Man konnte ihnen nicht trauen. Leider waren sie auch mächtig. Und so hatte ich es bereits mit Abschluss unseres Handels darauf angelegt, dass sie mit Gewalt ihren Preis einforderten. Denn Gewalt war einfach: Der Stärkere gewann, egal, was abgemacht war.

Ich war niemand, der Versprechen hielt.

Dann hatten Chia und ich geheiratet, unsere erste Nacht miteinander verbracht, und alles hatte sich geändert. Plötzlich wusste ich nur noch eines:

Sie gehörte mir und jeder, der sie anfasste, wäre tot.

Irgendwo in einem Winkel meines Hirns war ich mir dieser Ironie bewusst. Was, verfickt noch mal, trieb ich hier? Verlor ich meinen Verstand wie mein Bastard-Vater? Damian hatte sie eine Droge genannt, von der man nie wieder lassen würde, wenn man sie einmal gekostet hatte. Vielleicht war das der Grund. Vielleicht war Chia zu meiner Droge geworden und ich wandelte auf demselben Pfad wie Damian, an dessen Ende der Tod wartete.

Aber was hatte das für eine Bedeutung? Mein Bruder war schwach gewesen. Ich war es nicht. Wenn mein Wolf alle Menschen zerfleischen wollte, die ihr wehtaten, würde ich seinem Verlangen folgen. Ich würde die Knochen ihrer Peiniger brechen, ihre Schreie hören, während ich sie auseinanderriss, und es genießen, wenn sie um ihr verficktes Leben bettelten.

Chia war mein.

Und es fühlte sich verdammt nochmal gut an.

Wenn ich ehrlich mit mir selbst war, hatte ich es bereits damals gespürt, bei unserer ersten Begegnung. Eine, von der Chia nicht einmal mitbekommen hatte. Für sie begann unsere Geschichte in ihrer Praxis. Aber ich hatte sie bereits vorher verfolgt, gewartet und geplant. Ich erinnerte mich noch daran, wie ich sie zum ersten Mal gesehen hatte – als reale Person und nicht als Zielscheibe meines Hasses, die allein in meinen Gedanken existiert hatte. Sie hatte sich mit einem Verkäufer unterhalten und dabei eine pastellgrüne Bluse mit einer weißen, enganliegenden Hose getragen. Ihr Haar war glatt gekämmt gewesen und knapp über ihre Schultern gefallen. Ein Sonnenstrahl hatte es wie Gold schimmern lassen. Ihr Gesicht war makellos gewesen. Bis auf Wimperntusche und einem Lippenstift mit einem Rosastich hatte sie kein Make-up getragen.

Es war so gewesen, als hätte mir die Welt sagen wollen, dass sie unschuldig war.

All diese Details hatte ich wahrgenommen, ohne es bewusst zu merken. Als mein Blick sie getroffen hatte, war eine Kraft durch mich geschossen und hatte mich fest am Boden verankert. Für einen Augenblick war die Zeit stehen geblieben und alles außer Chia war verblasst.

Dann war sie weitergegangen und das seltsame Gefühl mit ihr. Meine Rachepläne hatten begonnen.

Wenn ich Chias wahres Wesen eher entdeckt hätte, wären die vergangenen Ereignisse niemals geschehen. Und doch waren sie höchstwahrscheinlich notwendig gewesen. Denn ich hatte ihr die Wahrheit gesagt: Die Welt war grausam, weil Menschen grausam waren. Das Clanland fraß die Schwachen und spuckte ihre zu Brei zerkauten Überreste wieder aus. Chia brauchte Kraft, um in dieser Dunkelheit überleben zu können.

In diesem Moment sah ich, wie sie die Arme um sich schlang. Der Wind hatte an Stärke zugenommen und wirbelte ihren Zopf über ihre Schulter.

Mit bedächtigen Schritten ging ich zu ihr.

Veränderung.

Leben bedeutete Veränderung. Mein Bruder. Mein Vater. Hetas. Violette. So vieles konnte sich auf einen Schlag in eine andere Richtung entwickeln. Fäden des Schicksals wurden neu geknüpft oder zerrissen für immer.

Chia aber … Wenn es stimmte, was ich vermutete, würde sie bald einen neuen Kampf ausfechten müssen. Ich würde an ihrer Seite stehen, damit sie nicht erneut daran zerbrach. Egal, ob sie mich wollte oder nicht. Ob sie mich hasste oder nicht:

Sie war meine Frau. Meine Aghuin.

Sie gehörte mir. Bis dass der Tod uns schied.

Zum Schluss noch ein kurzes Video, das zeigt, was die Vorlesefunktion in Word manchmal macht. Ich fand’s witzig 😀 Bitte Audio laut aufdrehen, damit man es hört: